Irgendwann begegnet es vermutlich jedem im Netz: Hass.
Das Bielefelder PIKSL Labor beteiligt sich mit dem Video „Ein PIKSL Film entsteht: Hass im Netz“ am Digitaltag 2020. In dem Video wird gezeigt wie ein PIKSL Film zum Thema Rassismus entsteht. Damit möchte das PIKSL Labor Bielefeld ein Zeichen gegen Hass im Netz setzen und Aufklärungsarbeit leisten. Die Inhalte dieses Videos waren ursprünglich als Workshop geplant. Er war der Beitrag des PIKSL Labor Bielefeld zu den Bielefelder Aktionswochen gegen Rassismus. Aufgrund der coronabedingten Ausfälle öffentlicher Veranstaltungen, suchten wir nach alternativen Präsentationsformen. Das PIKSL Labor Bielefeld ist ein inklusiver Treff zur Digitalen Teilhabe und auch unsere Veranstaltungen werden von einem inklusiven Dozententandem durchgeführt. Daher war die Übertragung dieses Prinzips auf die Umsetzung als Video nur konsequent.
Den Link zu dem Video findet ihr hier:
Ich werde angesprochen, also bin ich.
„Es stellt sich die Frage, ob Sprache uns verletzen könnte, wenn wir nicht in einem bestimmten Sinne ‚sprachliche Wesen‘ wären, die der Sprache bedürfen, um zu sein.“
Judith Butler: Haß spricht. Zur Politik des Performativen. 6. Auflage. Berlin 2018, S. 9.
Vorbemerkungen (Jan)
Die Inhalte dieses Videos waren ursprünglich als Workshop geplant. Er war der Beitrag des PIKSL Labor Bielefeld zu den Bielefelder Aktionswochen gegen Rassismus. Aufgrund der coronabedingten Ausfälle öffentlicher Veranstaltungen, suchten wir nach alternativen Präsentationsformen. Das PIKSL Labor Bielefeld ist ein inklusiver Treff zur Digitalen Teilhabe und auch unsere Veranstaltungen werden von einem inklusiven Dozententandem durchgeführt. Daher war die Übertragung dieses Prinzips auf die Umsetzung als Video nur konsequent.
Off-Stimme #1 (Jan)
Jedes PIKSL Video beginnt in der Vorbereitung und Besprechung des Themas. Darauf basierend, entwickeln wir ein vorläufiges Script, um es von unseren PIKSL Experten prüfen zu lassen. Zum Beispiel liest Petra es sich im Vorfeld durch und merkt Wörter und Sätze an, die schwer verständlich sind und nicht einfache oder leichte Sprache darstellen. Gezielt üben wir gemeinsam einzelne Wörter, damit die Aufnahme flüssig eingesprochen wird.
Einführung (Petra)
Hallo liebe Zuschauerinnen und Zuschauer.
Ich bin Petra.
Und ich arbeite mit dem PIKSL Labor zusammen.
Zum Beispiel machen wir Kurse.
Zu Smartphone und Internet.
Heute geht es um Hass im Internet.
Wir sprechen über Fremdenfeindlichkeit.
Und wir sprechen darüber, was wir gegen Hass im Netz machen können.
Wir zeigen, wo wir Hilfe bekommen.
Wenn wir selbst betroffen sind.
Eine Hassrede ist eine Rede.
Jemand spricht zu einer anderen Person.
Oder zu einer Personengruppe.
Die Hassrede soll andere Menschen verletzen.
Und eine Hassrede soll andere Menschen beleidigen.
In einer Hassrede kommt Hass gegen andere Menschen vor.
Zum Beispiel, dass jemand Gewalt gegen andere Menschen machen soll.
Eine Hassrede kann eine Volksverhetzung sein.
Es gibt direkte oder indirekte Hassreden.
Man kann eine Hassrede genau erkennen.
Man merkt sofort, dass es eine Hassrede ist.
Das ist die direkte Hassrede.
Oder man kann eine Hassrede nur schwer erkennen.
Man muss genau hinhören oder genau lesen,
um sie zu erkennen.
Das ist die indirekte Hassrede.
Fremdenfeindlichkeit bedeutet:
Jemand bekommt eine Arbeitsstelle nicht, wegen seiner Hautfarbe.
Oder jemand wird wegen der Hautfarbe von der Polizei kontrolliert.
In Deutschland gibt es das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz.
Mit dem Gesetz soll Rassismus bekämpft werden.
Fremdenfeindlichkeit ist Angst vor Personen, die anders sind.
Fremdenfeindliche Menschen mögen keine fremden Personen und Gruppen.
Fremdenfeindliche Menschen haben oft auch Angst vor neuen Sachen.
Diese Menschen möchten keine ausländischen Menschen im eigenen Land.
Fremdenfeindlichkeit ist verboten,
weil jeder Mensch Rechte hat.
Alle Menschen sind gleich viel Wert.
Fremdenfeindlichkeit kann jeden Menschen betreffen.
Im Internet gibt es auch Hass.
Manche Menschen sagen im Internet Beleidigungen.
Das würden sie sich nicht trauen auf der Straße zu sagen.
Beleidigungen im Internet kann jeder lesen.
Das ist für Betroffene sehr schlimm.
Deshalb müssen wir etwas dagegen machen.
Off-Stimme #1 (Jan)
Danach folgt die Sprachaufnahme in GarageBand, einem kostenfreien Apple-Programm. Dies vereinfacht eine Nachbearbeitung und ermöglicht die Aufnahme mehrerer Takes. Sind alle Sätze des überarbeiteten Scripts aufgenommen, können sie zusammengefügt, geschnitten und als Datei exportiert werden.
Hass im Netz (Jan)
Hass im Netz ist ein Thema, das leider nicht auf das Internet beschränkt ist und auch nicht erst seit diesem existiert. Diskriminierende Äußerungen gegenüber anderen Menschen oder Gruppen hat es schon immer gegeben. Das Internet bietet lediglich eine niederschwellige Möglichkeit, diese Themen vom Stammtisch in die Weltöffentlichkeit zu tragen.
Findet eine Agitation gegen Gruppen statt – aufgrund von Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung, spricht man von Hate Speech, zu Deutsch Hassrede. Sie wird in der Regel von anderen Formen von Gewalt im Netz unterschieden. Dazu zählen Cybermobbing und der sogenannte Shitstorm, welche sich meistens gegen Einzelpersonen richten oder in Bezug zu Einzelereignissen stehen.
Die Grenzen sind jedoch fließend und nicht immer kann ein Angriff im Internet auch klar als Hassrede oder Cybermobbing bezeichnet werden. Und zum Glück bleiben gezielte Angriffe auf Individuen und Gruppen Einzelereignisse.
Aber eines ist gewiss: Das Internet verstärkt Aussagen von Einzelpersonen und sie erscheinen Außenstehenden als seien sie gesellschaftlicher Konsens. Das Internet lässt einen Enthemmungseffekt wirksam werden. Während diese Enthemmungen in den meisten Fällen positiv sein können, indem sich zum Beispiel Menschen der Queer-Bewegungen online trauen, über Gefühle zu schreiben, finden sich aber auch sogenannte „toxische Enthemmungen“. Gefördert werden diese „toxischen Enthemmungen“ unter anderem durch eine vermeintliche Anonymität im Internet, fehlendes Feedback und fehlende Autorität und eine damit verbundene „emotionale Fahrerflucht“ – man kann sich den Konsequenzen seiner Worte leicht entziehen.
Zugleich lässt sich durch die noch aktuellen Debatten um Sanktionierungen von gesellschaftlich unerwünschtem Verhalten im Internet feststellen, dass wir uns tief in einem zivilisatorischen Prozess befinden. Der technische Fortschritt entkoppelt Kommunikation von einem Großteil menschlicher Sinneskanäle. Es ist falsch anzunehmen, dass im Internet rüpelhaft agierende Menschen von Grund auf schlechte Menschen sind. Die meisten sind im Gespräch von Angesicht zu Angesicht freundliche Zeitgenossen. Und doch können wir uns als emotionale Wesen nicht gänzlich frei machen von den Grenzen unseres Körpers. Daher ist es eine zivilisatorische Leistung, diese Limitierungen gemeinschaftlich zu überwinden, um einen Konsens darüber aufzustellen, wie wir im virtuellen Raum miteinander kommunizieren wollen.
Schaffen wir das nicht, können die Folgen für unsere Gesellschaft weitreichend sein.
Rassismus und Hassrede (Hate Speech)
Gerade bei erniedrigenden Aussagen gegenüber Ausländern zeigt sich ein direktes Wechselverhältnis von Aussagen im Internet und einer gestiegenen Zahl an Angriffen gegen Menschen; zum Beispiel auf Flüchtlingsunterkünfte.
Dabei spielt hier nicht alleine eine offene Fremdenfeindlichkeit eine Rolle. Auch Falschinformationen über angebliche Straftaten, sogenannte Fake News oder das Auslassen von wesentlichen Informationen geben rassistischen Ressentiments Vortrieb. Sie vertiefen den Graben einer Trennung von Wir gegen Die.
Im Rahmen der Flüchtlingskrise tauchten antimuslimische Äußerungen auf, in welchen sämtliche Religionsangehörige und jene Menschen, die für Muslime gehalten werden, unter Generalverdacht gestellt werden. Wie auch bei antisemitischen Äußerungen, greifen diese Behauptungen über Muslime auf jahrhundertealte Stereotype zurück.
Cybermobbing
Viele Angriffe im Internet zielen auf einzelne Menschen ab. Dieses als Cybermobbing bezeichnete Vergehen stellt eine extreme Form des Mobbings dar, da durch die Techniken des Internet, die gesamte Welt Anteil an diesen Erniedrigungen nehmen kann. Betroffene können sich nur schwer diesen Angriffen entziehen. Im Falle Amanda Todds halfen auch Wohnort- und Schulwechsel nichts. Von Amanda Todd wurden Nacktfotos erpresst, welche an ihren Familien- und Bekanntenkreis weitergeleitet wurden. Sie litt zunehmend unter den Erniedrigungen und fühlte sich isoliert, was letztendlich zu ihrem Suizid führte. Der vermeintliche Täter wurde 2014 von einem niederländischen Gericht für dieses und weitere Vergehen zu fast 11 Jahren Haft verurteilt.
Dieses Beispiel verdeutlicht, welche Auswirkungen Hass im Netz und Cybermobbing haben können. Zum Glück stellen sie die Ausnahme dar, doch sie ermahnen uns, als mündige Bürger*innen gegen jegliche Form von Hass und Erniedrigungen einzutreten.
„Typologie problematischer Internetnutzer“
Die Menschen und ihre Motive hinter Hass im Netz sind vielfältig. Die österreichische Journalistin Ingrid Brodnig stellte in ihrem 2016 erschienenen Buch „Hass im Netz“ zwei Typen von Internetnutzern vor, die sich hinsichtlich Motivation, Ziel und eingesetzten Methoden unterscheiden. Da sie sich vor allem auch auf Beiträge in Diskussionsforen bezieht, stellt es keine vollständige Liste dar. Hinzu würden Cybermobber treten, denen es im Grundsatz um individuelle Machtverhältnisse geht. Brodnig unterscheidet zwischen dem Troll und dem Glaubenskrieger.
Troll
Trolle wollen provozieren. Sie interessieren sich nicht für inhaltliche Auseinandersetzungen. Judith Donath benannte dieses Verhalten als ein „Spiel, bei dem man seine Identität verschleiert, wobei dieses Spiel ohne die Zustimmung der meisten anderen Mitspieler abläuft“. Trolle treten oft als seriöse Diskussionspartner auf. Ihre Mittel sind gezielte Abschweifungen, Konfrontationen und Behauptungen – sie lenken die Diskussion in eine Richtung, die nicht dem ursprünglichen Thema entsprach. Trolle reagieren mit überzogener Kritik auf die Beiträge anderer Teilnehmer, nehmen eine Haltung ein, die andere irritiert und tätigen schockierende Äußerungen. Selbst vor fingierten Behauptungen über Bedrohungen schrecken sie nicht zurück. Oft sind ihre Angriffe unprovoziert.
Ingrid Brodnig verweist in diesem Zusammenhang auf die aus der Psychologie bekannte „dunkle Tetrade“. Sie umfasst vier negative menschliche Eigenschaften: Sadismus, Narzissmus, Psychopathie und Machiavellismus. Weiterhin führt sie aus, dass 2014 in einer Studie der British Columbia University die Neigung von Trollen zum Sadismus festgestellt wurde. Gleichzeitig muss aber festgehalten werden, dass nicht alle Trolle Sadisten sind.
Glaubenskrieger
Wesentlich für Glaubenskrieger sind der online auftretende Enthemmungseffekt und die sogenannte „Unsichtbarkeit“ Letztere bezieht sich auf die physische Abwesenheit des online-Gesprächspartners und liefert das Argument, warum Menschen online auch unter ihrem Echtnamen Aussagen tätigen, die sie niemandem ins Gesicht sagen würden. Im Gegensatz zum Troll, sind Glaubenskrieger fest von ihrem Standpunkt überzeugt. Sie beanspruchen für sich die Wahrheit zu kennen und halten sich für besser informiert. Brodnig schreibt dabei von einem Heldenmythos in einem „Wir gegen Die“-Szenario. In ihrem Weltbild schotten sich Glaubenskrieger in einem Maße ab, dass sie sogar unliebsame Argumente als Bestätigung ihrer Sicht umdeuten. Hier wird eine Nähe zu Fake-News offenkundig. Auch Glaubenskrieger tendieren zu einem unseriösen Umgang mit Quellen.
Ingrid Brodnig sieht sämtliche Hassgruppen als Glaubenskrieger und bezieht explizit Verschwörungstheoretiker mit ein. Dabei führt sie aus, dass sich unter ihnen Menschen des politisch linken und rechten Spektrums gleichermaßen befinden.
Auch im Zuge der Corona-Pandemie tauchten etliche Verschwörungstheorien auf, deren Agierende in dieses Schema passen. Gezielt greifen beispielsweise rechtsextremen Gruppen die Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Coronavirus auf und reaktivieren Migrationsthemen aus dem Jahr 2015, um ein Angstszenario zu beschwören. Dabei lassen sich für Deutschland viele Infektion vor allem auch auf Urlaubsrückkehrer und Geschäftsreisende zurückführen. Patientin Null hatte Kontakt zu infizierten Verwandten aus Wuhan und zahlreiche Urlauber steckten sich im Skiort Ischgl an.
Das wirkungsvollste Werkzeug, einer Echokammer zu entgehen, ist ein heterogenes Netzwerk. Indem wir mit Andersdenkenden konfrontiert werden, entwickeln wir eine sachliche Diskussionskultur und können auch den eigenen Standpunkt kritisch reflektieren. Beides stellt wichtige Eckpfeiler moderner Demokratien dar. Niemand muss die Meinung eines Anderen mögen, aber immer sollten wir uns als Menschen mit Respekt begegnen.
Hassrede und Cybermobbing als existentielle Bedrohung
Aktuelle Studien Hassrede und Cybermobbing legen die Vermutung nahe, dass Menschen, die Ziel von Hass im Internet sind, in ihrem Subjekt-Sein gefährdet werden können. Sind Informationen einmal ins Internet eingespeist, werden sie unkontrollierbar. Besonders prekär bei persönlichen Daten oder Bildern. Damit verbundene Anfeindungen im Internet, erleben eine eigene Dynamik. Über das Beispiel Amanda Todd sprachen wir bereits.
Das Internet ist keine Fiktion, sondern stellt eine Erweiterung der Wirklichkeit dar. Alle im Internet getätigten Äußerungen haben früher oder später auch ganz konkrete Auswirkungen auf Menschen.
Laut Sybille Krämer verfügt der Mensch über einen physischen und einen sozial-symbolischen Körper. Letzterer wird durch Anrede fortlaufend reaktualisiert. Jede Interaktion beruht auf dem Wagnis zur Rede. Eine Ansprache kann unbeantwortet bleiben. Diese Leerstelle der Kommunikation stellt eine soziale Ausgrenzung dar. Ethnologen beschrieben eine „Praxis des sozialen Todes“ in welcher Mitglieder eines Stammes ignoriert wurden, ihre Existenz geleugnet wurde. Vergleichbar dramatische Konsequenzen hat das Reden über Dritte, wie Burkhard Liebsch darstellt. Indem über jemanden gesprochen wird, wird dieser zum Objekt degradiert und zugleich „die Deutungshoheit über einen Anderen für sich zu beanspruchen.“
Gerade weil der Virtuelle Raum keine Fiktion darstellt, können laut Jennifer Eickelmann Beleidigungen verletzend sein. Und da sich das Virtuelle unserer Kontrolle entzieht, sind die Auswirkungen besonders dramatisch.
Rechtliche Folgen
Kein Mensch ist im Internet Anonym. Auf die eine oder andere Weise kann unsere Identität ermittelt werden.
Daher sind auch alle Kommentare, die wir im Internet machen, nicht so anonym, wie wir meinen.
In thematisch relevanten Broschüren der Initiative klicksafe.de werden eine Reihe von Straftatbeständen aufgelistet, die im Falle von Hassreden und Cybermobbing herangezogen werden können. Darunter fallen neben Volksverhetzung und Beleidigung auch Nötigung, Bedrohung und üble Nachrede. Die Liste lässt sich fortsetzen und umfasst auch das Recht am eigenen Bild und die sogenannte „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“.
Dies zeigt, wie viele juristische Mittel der Sanktionierung zur Verfügung stehen und die zahlreichen Fallstricke für unachtsame und online enthemmte Diskussionsteilnehmer.
Was tun gegen Hass im Netz?
Das Internet wird im deutschen Sprachgebrauch oft als ein Ort bezeichnet, der besucht werden kann. Es klingt, als wäre dieser getrennt von unserem Alltagsleben und damit auch abgehoben von allen rechtlichen und gesellschaftlichen Werten. Doch auch das eigene Verhalten „im Internet“ wird an diesen Werten gemessen. Hasskommentare können strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Die Wahrung eines fairen Umgangstons, der offline im Alltagsleben Gültigkeit hat, muss auch für eine Kommunikation im Internet gelten.
Das Strafrecht geht davon aus, dass eine getätigte Äußerung bereits eine vollzogene Verletzung darstellt. Man spricht dann von einem illokutionären Modell. Dieser Begriff stammt aus der Linguistik und bezeichnet in der Sprechakttheorie das „Vollziehen einer Handlung mit Hilfe einer sprachlichen Äußerung.“ (John Langshaw Austin) Durch das Zusammenfallen von Äußerung und Effekt, müssen erstere rechtlich sanktioniert und der Wiederholungsfall ausgeschlossen werden.
Dem gegenüber steht das sogenannte perlokutionäre Modell. Ihm schreibt die Philosophin Judith Butler das Potential zu, gegen Hassrede zu sprechen und zu schreiben. Denn ihr zufolge gibt es eine Lücke oder Leerstelle zwischen getätigter Äußerung und deren Wirkung. Insbesondere der Wiederholungsfall würde zu einem Zitatcharakter und gäbe die Chance, abwertenden Begriffen eine neue Bedeutung zu geben. Ein Beispiel ist die 1998 gegründete Gruppe „Kanak Attak“, die sich aus Menschen zusammensetzt, welche die qua Geburt zugeschriebene Herkunft ignorieren und bewusst nicht nach Pass oder Herkunft fragen, sondern diesen Klassifizierungsversuchen entgegenstehen wollen. Im Ursprung wendete sich die Gruppe gegen die bereits im Wort Multikulturalismus sprachlich vermittelte Trennung in Kulturen und damit auch Ethnien. Gleichzeitig belegt die Gruppe den als Schimpfwort gemeinten Begriff „Kanak“, durch Kulturveranstaltungen mit einem positiven Vorstellungsbild.
Der Anstoß Judith Butlers ist jedoch keine Universallösung, denn Betroffene können sich kollektiv auch gegen eine solche Umdeutung aussprechen und für politisch korrekte Begriffe plädieren. Ebenso ist dieses Vorgehen nicht situativ einsetzbar.
Marshall Rosenbergs Ansatz einer Gewaltfreien Kommunikation erhellt im Kontext der Dialogik Martin Bubers die Hassreden. Ihm zufolge entsteht das Ich erst in der Auseinandersetzung mit dem Du. Dieser „Grundmodus menschlichen Sein“ offenbart die Unsicherheiten jener Hassredner und ihren Wunsch nach Sicherheit in einer „unsicherer erscheinenden Zeit“.
Folglich kann es als geboten gelten, nicht nur aktiv gegen Hassrede einzustehen, sondern den Gegenüber als Menschen wahr und ernst zu nehmen und sich ebenso über die facettenreichen Formen von Hassreden informiert zu halten. Vor allem bedeutet es auch, die eigene Sprache aufmerksam zu betrachten und kritisch zu reflektieren, um selbst diskriminierende Phrasen zu vermeiden.
Ein wesentliches Problem einer Kommunikation im Internet besteht in der Abwesenheit von Gestik und Mimik. Die vielen Nuancen unserer Sprache werden bereichert durch gezielt eingesetzte Bewegungen des Gesichts und der Arme. Fehlen diese Informationen, wird es schwierig, gemachte Äußerungen klar einzuordnen. Anderenfalls können in online-Debatten Doppeldeutigkeiten entstehen, die zu Missverständnissen führen.
Ein besonderes Problem stellt dabei der sogenannte „Confirmation Bias“ dar – zu Deutsch: Bestätigungsfehler oder Bestätigungsverzerrung. In dem Zusammenhang wird auch von einer Filterblase gesprochen. Menschen tendieren dazu, Meinungen eher zu akzeptieren, wenn sie der eigenen Sicht entsprechen. Dadurch umgeben wir uns im Freundes- und Bekanntenkreis eher mit Gleichdenkenden. Im Internet führt das zu sogenannten „Echokammern“. Verstärkt durch Algorithmen sozialer Netzwerke und Suchmaschinen, begegnen uns eher Inhalte, die auch unserem Weltbild entsprechen.
Gleichzeitig führen Beleidigungen dazu, dass sich Diskussionsteilnehmende umso mehr auf ihren Standpunkt zurückziehen. Daraus entwickelnde Eskalationen vermögen eine Gruppe zu spalten und einen Status Quo zu erhalten.
Das Aufbrechen dieser Echokammern ist online ohne einen Eingriff in diese Algorithmen kaum möglich. Dennoch gibt es Möglichkeiten und Strategien diesem zu begegnen.
Als Betroffener sollte man sich im ersten Schritt an die Plattformverantwortlichen wenden, um die Löschung des Kommentars zu erwirken. Bei Erwägung rechtlicher Schritte, sind die Polizei und die Staatsanwaltschaft vor Ort zuständig. Es ist auch der Weg einer anonymen Anzeige möglich, handelt es sich um strafrechtlich relevante Äußerungen (diskriminierende Hassrede). Ein juristischer Weg ist in den seltensten Fällen erfolgsversprechend. In Onlineforen führen Verweise auf eine sachliche und höfliche Diskussionskultur und Hinweise an den Beleidiger auf sein unangemessenes Verhalten hinweisen zum Erfolg. Einzelpersonen und Gruppen sollten sich nicht verdrängen lassen. Kommentare und Nachrichten können durch Screenshots dokumentiert werden. Es hilft, sich Verbündete zu suchen, die den eigenen Rücken stärken und bei dem Melden von Kommentaren an Plattformbetreiber zu unterstützen.
Jeder Internetnutzer kann sich einschalten, ohne betroffen zu sein. Ingrid Brodnig bringt dies in besonderer Weise auf den Punkt, wenn sie schreibt: „Im Übrigen plädiere ich auch dafür, Menschen zu verteidigen, deren Meinung man nicht teilt.“ Sie nennt das: digitale Zivilcourage.
Wir alle können mit gutem Beispiel vorangehen und in Onlinediskussionen stets nach dem gemeinsamen Nenner suchen: Welche Haltung oder welches Thema verbindet uns?
Off-Stimme #3 (Jan)
Die fertigen Audioaufnahmen für den PIKSL Film werden anschließend in den Adobe Charakter Animator importiert. Dies ist ein Programm, mit welchem einfache Animationsfilme erstellt und sogar Live-Schaltungen durchgeführt werden können. Sie basieren auf unterschiedlichen Ebenen einer Photoshop-Datei mit Hintergrund, Figur und ihren beweglichen Körperteilen. Den einzelnen Ebenen werden im Charakter Animator Handlungen zugewiesen, welche entweder aktiv mit der Maus durchgeführt, oder per Kamera durch Augen- und Mundbewegungen getrackt werden. Am Ende erhält man eine fertig animierte Videodatei, die zur Weiterbearbeitung gespeichert werden kann.
Interview (Jan & Petra)
Jan
Was können wir gegen Rassismus im Netz machen?
Petra
Wir müssen gemeinsam Lösungen finden. Niemand soll bestraft werden. Und niemand soll beschuldigt werden. Das hilft keinem. Wir müssen die Ursache finden. Für Hass im Netz.
Jan
Du sprichst von der Systemischen Mobbing Intervention?
Petra
Ja, genau, aber die funktioniert zum Beispiel nur in Schulen.
Jan
Was kann ich denn tun, wenn ich Hasskommentare im Netz lese?
Petra
Es gibt Internetseiten. Da kann man sich beschweren. Und es gibt Internetseiten. Dort bekommt man Hilfe. Das ist ganz wichtig. Niemand ist allein.
Jan
Das braucht doch bestimmt Zeit. Gibt es etwas, das ich direkt machen kann?
Petra
Klar! Manchmal ist es besser, Hasskommentare zu ignorieren. Manche Menschen möchten nur provozieren. Die nennt man auch Trolle.
Jan
Ich verstehe.
Petra
Ganz oft schreiben Menschen aber auch falsche Sachen. Dann muss man das richtigstellen. Aber wichtig ist, freundlich zu bleiben. Und du musst aufpassen, dass du nicht selbst beleidigt wirst.
Jan
Und wenn es ganz schlimm wird?
Petra
Dann muss man zur Polizei gehen. Das kann man auch im Internet machen. Und eine Anzeige stellen.
Jan
Aber das sollte immer das letzte Mittel sein?
Petra
Richtig. Wir dürfen im Internet streiten. Jeder kann seine eigene Meinung haben. Aber dabei soll niemand beleidigt werden. Und wir müssen immer die Wahrheit sagen. Am besten ist es, schon Kindern zu zeigen, wie man sich richtig im Internet verhält. Wir müssen auch im Internet freundlich bleiben.
Off-Stimme #4 (Jan)
Im finalen Schritt werden Audiospur und Videodatei in iMovie, einem einfachen und kostenfreien Apple-Programm geschnitten und mit einem Intro versehen. Der fertige PIKSL Film kann nun auf YouTube oder eine andere Plattform hochgeladen werden.